Modeling, Simulation, and Implementation of an Autonomously Flying Robot
Dissertation

Aerodynamik der Rotoren

Blatt-Element Theorie (BET)
Impuls Theorie (engl. Momentum Theory: MT)
Blatt-Element Impuls Theorie (BEMT)
Aerodynamische Effekte

Blatt-Element Theorie (BET)
Das rotierende Rotorblatt erzeugt an jedem Punkt auf seiner gesamten Länge Auftriebs- und Luftwiderstandskräfte. Während es rotiert, überstreicht es die gesamte Rotorfläche. Für die Bewegung des Hubschraubers sind die mittleren Gesamtkräfte und -momente von Interesse. Die Idee bei der Blatt-Element Theorie (BET) ist, die gesamte Rotorfläche in unendlich viele Elemente aufzuteilen und für jedes einzeln die Kräfte zu bestimmen. Diese einzelnen Beiträge werden dann aufintegriert, wodurch sich die resultierenden Gesamtkräfte des Rotors ergeben. Rotorfläche
Entsprechend der Einleitung zur Hubschraubersteuerung werden also sowohl Auftriebs- wie auch Widerstandskraft für ein einzelnes Blattelement an einer beliebigen Position innerhalb der Rotorfläche bestimmt. Blattelement
Für den symmetrischen Fall des Schwebefluges sieht die Kraftverteilung dann so aus, wie auf der nebenstehenden Abbildung zu sehen. Die Kraft F ist relativ zur mittleren Auftriebskraft dargestellt, die horizontale Ebene durch die Achsen x und y liegt in der Rotorebene.
Mit diesem Ansatz läßt sich die Verteilung der Kraft über die Rotorfläche gut abschätzen. Damit können auch Momente durch unsymmetrische Verteilungen (z.B. durch Wind oder zyklischen Pitch) berechnet werden. Allerdings ist die BET insgesamt noch eine starke Vereinfachung der tatsächlichen Verhältnisse am Rotor. Der entscheidende vernachlässigte Punkt ist der Abwind, den jeder Hubschrauber produziert. Diese sogenannten induzierten Windgeschwindigkeiten beeinflussen die Anströmung auf die Rotorblätter signifikant, so daß sich auch die aerodynamischen Kräfte ändern. Das hat auch zur Folge, daß Einflüsse durch normalen Wind nicht korrekt durch die BET vorhergesagt werden können.
Die reine BET liefert keinen Ansatz für die Berechnung der induzierten Luftbewegungen. Dies wird durch die Impulstheorie im nächsten Abschnitt erledigt.
Kraftverteilung
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Impulstheorie (engl. Momentum Theory: MT)

Die Impulserhaltung nach Newton sagt aus, daß für die Erzeugung einer Kraft ein entsprechender Impuls in die entgegengesetze Richtung abgegeben werden muß. In der Aerodynamik bedeutet dies eine entsprechende Beschleunigung der Luft, ein Rotor soll also möglichst effizient Luft beschleunigen, um eine Gegenkraft zu erzeugen.
Ein interessantes Ergebnis aus Impuls- und Energieerhaltung für einen Rotors ist, daß sich der Luftstrom hinter dem Rotor weiter beschleunigt und zusammenzieht, bis er die doppelte Geschwindigkeit erreicht hat wie in der Rotorebene. Dies kann recht leicht gezeigt werden:

Impulserhaltung
Wird die endgültige Geschwindigkeit der beschleunigten Luft mit w bezeichnet (diese ist dann "weit hinter" dem Rotor gültig), so kann mit dem Massenstrom dm/dt durch den Rotor (dies ist die Menge der pro Zeit beschleunigten Luft) die erzeugte Kraft berechnet werden:

  • F = dm/dt w

Energieerhaltung
Die zweite wichtige Gleichung ergibt sich aus dem Vergleich der vom Rotor an die Luft abgegebenen Leistung F vi mit der pro Zeit der Luft mitgegebenen kinetischen Energie:

  • F vi = ½ dm/dt w²

Setzt man beide Gleichungen ineinander ein, so erhält man die Beziehung w = 2 vi, die in der Abbildung bereits eingesetzt wurde.

Für MARVIN ergibt sich vi = 4,5 m/s. Auftriebskraft F und induzierte Geschwindigkeit vi sind folgendermaßen miteinander verknüpft (Luftdichte ρ, Rotorfläche A):

  • F = 2 ρ A vi²
Strömungsfeld

Die MT erlaubt also die Berechnung der induzierten Luftgeschwindigkeit, allerdings in dieser Form nur als Mittelwert über den gesamten Rotor. Eine Verteilung der Effekte über die Rotorfläche mit der entsprechenden Kräfteverteilung ist so noch nicht möglich. Hierfür muß sie mit der BET zur BEMT kombiniert werden.

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Blatt-Element Impuls Theorie (engl. BEMT)

Die Kombination der Blatt-Element Theorie (BET) mit der Impulstheorie (MT) wird in der Literatur als Blatt-Element Impuls Theorie (BEMT) bezeichnet. Sie vereint die detailierten Möglichkeiten der Kräfteverteilung, die die BET liefert, mit der Bestimmung und Nutzung der induzierten Geschwindigkeiten nach der MT.
Eine veränderliche Anströmung durch die induzierte Luftbewegung oder auch andere Windeinflüsse kann in die Gleichungen der BET recht leicht integriert werden. Die MT wird dann auf jedes Blatt-Element einzeln angewendet. Das stellt zwar eine Vereinfachung dar, da hierbei angenommen wird, daß sich die einzelnen Elemente nicht gegenseitig beeinflussen, allerdings ist dies eine gute, brauchbare Näherung.

Entsprechend den Gleichungen der BET bedeutet eine erhöhte induzierte Geschwindigkeit eine Verringerung der erzeugten Auftriebskraft. Die MT hingegen sagt aus, daß eine verringerte Auftriebskraft eine kleinere induzierte Geschwindigkeit zur Folge hat. Es handelt sich also um ein Gleichungssystem, das gelöst werden muß.
Dieses Gleichungssystem ist sehr komplex und kann nicht mehr direkt gelöst werden, so daß hier ein numerisches Verfahren angewendet werden muß. Das verwendete Newtonverfahren erlaubt trotz der sehr komplexen Formeln eine Berechnung des Gesamtmodells in Echtzeit auf einem üblichen Bürorechner.

Die nebenstehende Abbildung zeigt das Ergebnis für die Verteilung der induzierten Geschwindigkeit vi über der Rotorfläche. Die Verteilung ist unsymmetrisch, da in der dargestellten Situation mit eingestelltem zyklischen Pitch gerechnet wurde.
Die nun für jedes Blattelement bekannte induzierte Geschwindigkeit wird von der BET genutzt, um mit korrekter Anströmung rechnen zu können.

Geschwindigkeitsbeld

Der kombinierte Ansatz der BEMT erlaubt, die Verteilung der induzierten Geschwindigkeit ebenso wie der Kräfte zu berechnen. Damit lassen sich auch die Momente bestimmen. Einflüsse von Wind können ebenfalls korrekt berücksichtigt werden.

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Aerodynamische Effekte

Es gibt eine Reihe von aerodynamischen Effekten an Rotoren, die auf den ersten Blick überraschen. Ein paar davon sollen hier vorgestellt werden. Sie werden durch das Modell vorhergesagt und können auch in der Realität beobachtet werden.

Bodeneffekt (engl. In Ground Effect: IGE)
Ein relativ bekannter Effekt ist der Bodeneffekt. Nahe dem Boden steigt die Effizienz des Rotors an, so daß für ein stabiles Schweben weniger Leistung benötigt wird, als weit vom Boden entfernt. Vereinfacht kann man sich das wie ein Luftkissen zwischen Rotor und Boden vorstellen.
Die nebenstehende Abbildung zeigt den Leistungsverlauf in Abhängigkeit vom Abstand des Rotors zum Boden. Weiter entfernt als als das 1- oder 1,5-fache vom Rotordurchmesser ist der Effekt nicht mehr wahrnehmbar.
Bodeneffekt
Effizienzgewinn bei schnellem Flug (engl. Effective Translational Lift: ETL)
Bei schnellem Flug oder auch bei windigem Wetter und Schwebeflug, was für die Aerodynamik am Rotor identisch ist, wird die Effizienz des Rotors ebenfalls besser. Dies kann man sich anschaulich so vorstellen, daß der Hubschrauber permanent in "frische" Luft fliegt, in der noch kein Abwind herrscht. Insgesamt bewirkt dies, daß abhängig von der Relativgeschwindigkeit Hubschrauber-Luft weniger Leistung für einen stabilen Flug benötigt wird, als im Schwebeflug bei Windstille.
Der Effizienzgewinn ist abhängig vom Verhältnis der Flug- bzw. Windgeschwindigkeit zur mittleren induzierten Luftgeschwindigkeit vi. Für MARVIN bedeutet also eine Fluggeschwindigkeit von 2 vi = 9 m/s eine notwendige Leistung von nur noch 70% der Schwebeflugleistung.
Bei Wind
Rollneigung bei schnellem Flug (engl. Transverse Flow Effekt: TFE)
Ein weiterer Effekt bei schnellem Flug äußert sich nicht in einer veränderten mittleren Auftriebskraft, sondern in der Verteilung der Kräfte in der Rotorfläche, was ein Drehmoment zur Folge hat. Durch das permanente fliegen in "frische" Luft ohne Abwind, das schon für den ETL erwähnt wurde, befindet sich die Vorderkante der Rotorfläche immer in besonders frischer Luft, während die Hinterkante die durch den Rotor bereits stärker beeinflußte Luft erreicht. Somit wird vorn mehr Auftrieb erzeugt als hinten. Dieses Drehmoment um die Nickachse des Hubschraubers bewirkt wegen des 90° Versatzes durch die Kreiselpräzession des Hauptrotors eine Rollbewegung des Hubschraubers, die durch den Piloten kompensiert werden muß.

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Letzte Aktualisierung: 09.08.2006
© Carsten Deeg