Modeling, Simulation, and Implementation of an Autonomously Flying Robot
Dissertation

Das Modell

Einleitung: Steuern von Hubschraubern
Modellüberblick
Starre Körper
Kräfte und Momente

Einleitung: Steuern von Hubschraubern
Zur Einleitung wird hier kurz umrissen, mit welchen Steuervorrichtungen ein üblicher Hubschrauber geflogen wird.
Ein Hubschrauber besitzt einen oder mehrere Rotoren. Jeder Rotor besteht aus mehreren Rotorblättern. Diese sind für die erzeugten Kräfte verantwortlich. Es gibt immer zwei Kräfte:
  • Die Auftriebskraft L (engl. lift) steht senkrecht zur Anströmenden Luft.
  • Die Widerstandskraft D (engl. drag) ist parallel zur Anströmung.
Durch Verändern des Pitch-Winkels Φ der Rotorblätter kann der Auftrieb gesteuert werden.
Blattelement
Die Kräfte werden wie folgt berechnet:
  • LCl ρ b l v²
  • DCd ρ b l v²
ρ ist die Luftdichte, b die Blatbreite, l die Blattlänge und v die Anströmgeschwindigkeit. Die Koeffizienten Cl und Cd sind vom Pitch-Winkel Φ abhängig, wie in der nebenstehenden Abbildung zu erkennen ist. Cl ist bis zum Strömungsabriß (engl. stall) proportional zum Winkel. (Cd ist um den Faktor 10 skaliert dargestellt, da dieser Koeffizient gewöhnlich deutlich kleiner als Cl ist.)
Hinweis: In der Realität ist der Anstellwinkel nicht genau gleich dem Pitch-Winkel, weil sich die Strömungsrichtung durch induzierte Geschwindigkeiten ändert. Davon wird in dieser Einleitung abstrahiert.
Aerodynamikkoeffizienten
Wird der Pitch von allen Rotorblättern "kollektiv" geändert, ändert sich die Gesamtauftriebskraft vom Rotor. Diese Steuergröße heißt kollektiver Pitch und steuert die vertikale Hubschrauberbewegung. Kollektiv
Erhöht man den Pitch z.B. auf der rechten Seite und verkleinert man ihn gleichzeitig auf der linken, so entsteht ein Drehmoment. Diese Steuergröße heißt zyklischer Pitch. Da ein Hubschrauber nicken (siehe Bild) und rollen kann, gibt es 2 zyklische Steuerungen. Zyklisch
Das Gieren des Hubschraubers wird über den Heckrotor gesteuert, der gleichzeitig das Gegendrehmoment zum Hauptrotor erzeugt. Der Heckpitch entspricht dem kollektiven beim Hauptrotor. Heck
Ein Hubschrauber wird also durch 4 Steuergrößen kontrolliert, die permanent vom Piloten aktiv geregelt werden müssen. Tatsächlich kommt als 5. noch das Gas für den Motor hinzu, allerdings übernehmen diese Aufgabe meistens Drehzahlregler im Hubschrauber bzw. Mischer in der Fernbedienung.
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Modellüberblick

Die Aufgabe des Modells ist die Berechnung des Flugverhaltens unter Berücksichtigung der Steuergrößen. Die oben eingeführten Pitch-Werte und die Gasstellung bilden also die Eingänge für das Modell. Die Zustandsgrößen des Hubschraubers sind die Ausgänge:

Modell

Insgesamt berücksichtigt das Modell deutlich mehr Zustandsvariablen als dargestellt:

  • Position, Geschwindigkeit
  • Orientierung, Rotationsgeschwindigkeit
  • Rotationsgeschwindigkeit der Rotoren
  • Kollektive und zyklische Pitch-Stellung des Hauptrotors (wegen Stellgrößenbeschränkungen sind diese nicht gleich den logischen Werten
  • Heckrotorpitch, Kreiselintegrator (für den Fall eines Heckkreisels mit PI-Regler)
  • Gasstellung

Das dargestellte Modell bildet alle Komponenten des Hubschraubers ab, die einen relevanten Einfluß auf das Flugverhalten haben.

Aktuatoren
Die erste Stufe, die die Steuersignale passieren, sind die Aktuatoren. Diese setzen die logischen Steuersignale in mechanische Bewegung um. Im Modellbau übernehmen Servos diese Aufgabe und verändern über eine geeignete Mechanik die Pitch-Winkel der Rotorblätter.
Für den Heckrotor wird üblicherweise noch ein Kreisel vor den Servo geschaltet, der den Gierwinkel des Hubschraubers stabilisiert. Ohne diesen Kreisel ist der Heckpitch-Steuereingang proportional zur Winkelbeschleunigung, mit Kreisel zur Winkelgeschwindigkeit. Die Implementierung des Modells bietet beide Varianten und zusätzlich die Wahl zwischen einem einfachen Kreisel (P-Regler) oder einen sogenannten Heading-Hold Kreisel, auch Heading-Lock genannt (PI-Regler).

Aerodynamik der Rotoren
Im Fall der Rotoren folgt nun als nächste Stufe die Berechnung des aerodynamischen Modells. Dies ist der aufwendigste Teil des Modells und wird auf einer eigenen Seite beschrieben.

Motor
Für den Motor wird zur Berechnung des Drehmoments die übliche Kennlinie herangezogen (siehe Abbildung mit Motordrehzahl n, Leistung P, Drehmoment M, hier für MARVINs Motor). Zusätzlich wird der Leistungsverlust durch eine veränderliche Luftdichte mittels der barometrischen Höhenformel und die Stellung des Gas-Servos beachtet.

Leistung/Drehmoment

Starrer Körper
Die Bewegungsgleichungen der starren Körper am Hubschrauber bestimmen die Bewegung, die aus den berechneten Kräften und Drehmomenten resultiert. Details folgen unten.

Insgesamt ergibt sich also ein Modell aus allen genannten Komponenten. Anzumerken ist noch, daß die einzelnen Blöcke weder in der Realität noch im vollständigen Modell komplett entkoppelt sind wie hier dargestellt:

Modell komplett
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Starre Körper

Das Modell der starren Körper im Hubschrauber basiert auf den üblichen Newtonschen Gesetzen.
Die Translatorische Bewegung kann leicht aus der bekannten Vektorgleichung berechnet werden:

  • F = m a

F ist die (noch zu berechnende) angreifende Kraft, m die Hubschraubermasse und a die resultirende Beschleunigung. Dieser Ansatz gilt allerdings in dieser Form nur, wenn man die Bewegung des Schwerpunkts betrachtet. Liegt der Bezugspunkt des Hubschraubers nicht im Schwerpunkt, so ist zusätzlich die Rotationsbewegung des Hubschraubers zu beachten.

Zur Berechnung der Rotationsbewegung wird die nicht ganz so bekannte Euler-Gleichung der Mechanik benötigt. Sie beschreibt die Drehimpulserhaltung aus einem hubschrauberfesten, also mitgedrehten, Koordinatensystem heraus:

  • M = dL/dt + ω x L

M ist das (noch zu berechnende) angreifende Drehmoment, L der Drehimpuls und ω die Rotationsgeschwindigkeit des Hubschraubers. Auch dies ist eine Vektorgleichung, die auf der rechten Seite zwei Terme besitzt, die zeitliche Ableitung des Drehimpulses sowie ein Kreuzprodukt aus der aktuellen Rotation und dem Drehimpuls. Dieses Kreuzprodukt ist für die bekannte 90°-Verschiebung zwischen angreifenden Moment und Neigerichtung des Hubschraubers verantwortlich. Diese Bewegung heißt Kreiselpräzession.
L setzt sich aus den Drehimpulsen der Rotoren (Trägheitstensor Jr), des Motors und des sich drehenden Rumpfes (Trägheitstensor Jh) zusammen. Mit der Rotationsgeschwindigkeit ωr des Rotors ergibt sich als Gesamtgleichung:

  • M = Jh . dω/dt + Jr . dωr/dt + ω x (Jh . ω + Jr . ωr)

Mit dieser Gleichung läßt sich nun die Veränderung der Rotationsbewegung unter den bekannten gegenwärtigen Bedingungen berechnen. Allerdings sind dies nur 3 skalare Gleichungen für 4 unbekannte Rotationsbeschleunigungen dωh/dt und dωr/dt (letztere weist im hubschrauberfesten Koordinatensystem immer in dieselbe Richtung, so daß die Vektorrichtung bekannt ist).

Es wird also noch eine weitere Gleichung benötigt, die den Einfluß des Motors auf die Drehzahl der Rotoren beschreibt. Sie kann als einfache Bilazgleichung aufgestellt werden. Mit Mm als Drehmoment vom Motor und Mr als Reibung vom Rotor ergibt sich damit:

  • Mm - Mr = Jr dωr/dt
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Kräfte und Momente

Kräfte
Die Gesamtkraft F, die oben in der Gleichung für die Bewegung des starren Körpers benutzt wird, setzt sich aus mehreren Komponenten zusammen:

  • Aerodynamische Kräfte der Rotoren
  • Aerodynamische Widerstandskraft des Rumpfes im Wind oder bei Flugbewegungen
  • Gewichtskraft

Momente
Die Summe M aller Drehmomente, die auf den Hubschrauber wirken, ergibt sich ebenfalls aus einer Reihe von Einzelmomenten:

  • Luftwiderstand der Rotoren
  • Steuermomente der Rotoren durch zyklischen Pitch oder unsymmetrische Anströmung
  • Nicht im Schwerpunkt angreifende Kräfte der Rotoren
  • Nicht im Schwerpunkt angreifende aerodynamische Widerstandskraft des Rumpfes

All diese Kräfte und Momente werden im Modell berücksichtigt und berechnet. Die aerodynamischen Kräfte und Momente der Rotoren werden auf einer eigenen Seite beschrieben.


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Letzte Aktualisierung: 08.08.2006
© Carsten Deeg